Kritik: Thelma & Louise (USA 1991)

Eine Gastkritik von Marc Trappendreher

Thelma & Louise Susan Sarandon Geena Davis

You’ve always been crazy. This is just the first chance you’ve ever had to really express yourself.

Ein feministischer Road Trip

Ridley Scott schuf 1991 mit Thelma & Louise einen wichtigen populären Film des feministischen Kinos – seine Geschichte um die tiefe Verbundenheit zweier Frauen, die auf der Flucht vor dem Gesetz sind und eine Reihe von Abenteuern erleben, war damals im US-amerikanischen Kino eine neuartige Reflexion über Freiheit und Selbstbestimmung, die in dieser weiblichen Emanzipationsgeschichte abgebildet war. Die starken schauspielerischen Leistungen von Geena Davis und Susan Sarandon trugen dabei maßgeblich zum Erfolg des Films bei.

Das Road-Movie war bis dahin ein überwiegend männlich codiertes Erzählmuster, das besonders mit der Erneuerungsbewegung im amerikanischem Kino der Siebzigerjahre, dem New Hollywood, zu großer Popularität kam und ein nahezu eigenständiges Genre ausbildete: Bonnie und Clyde (1967), Easy Rider (1969) oder Asphaltrennen (1971) nutzen das Motiv der Vorwärtsbewegung und der offenen Straßen auf augenfällige Weise, eine dezidiert weibliche Perspektive auf das Genre kannte man aber so nicht. Regisseur Ridley Scott änderte diesen Sachverhalt maßgeblich, sein Film gilt vielen heute noch gerade aufgrund dieser Verschiebungen und der latenten Gesellschaftskritik in einem populären Film, dieses Ausmaßes, als fortschrittlich und zeitlos.

Thelma & Louise 1991 Ridley Scott

Zunächst aber steht in Thelma & Louise ein Abschied: Die beiden Freundinnen Thelma (Geena Davis) und Louise (Susan Sarandon) wollen einen leisen Ausbruch wagen. Der Aufbruch vollzieht sich in einem türkisen Thunderbird-Cabrio, der zum Sinnbild eines neuen Freiheitsgefühls und der unbegrenzten Möglichkeiten wird. Nur ein Wochenende ohne deren Männer wollen die beiden Frauen verbringen, nur für kurze Zeit soll die Utopie währen, weitab der spießigen Gesellschaft. Dieser Abschied wird aber im Laufe der Handlung eine immer stärker sich vollziehende Abkehr von der Männerwelt per se, die Scott in diesem Film als durch und durch roh und verdorben zeichnet.

Ein Roadmovie über Wahrheit und Gerechtigkeit

So wird aus dieser anfänglich unbeschwerten Reise jäh einen Alptraum. Als Thelma nach einem ausgelassenen Tanzabend vergewaltigt wird, erschießt Louise den übergriffigen Gewalttäter – von da aus wird aus dem unbekümmerten Ausflug ein Abstieg in die Kriminalität und eine Flucht vor den Behörden, die sich an Thelma und Louises Fersen heften. So leichtfüßig und komödiantisch wie Scott diese Fluchtbewegung nach vorn ins Ungewisse auch inszeniert, er verwebt seine Szenen so, dass darin ein größeres Gesamtgefüge ersichtlich wird. Thelma & Louise ist so auch eine mal leisere, mal lautere Systemkritik, die den Geschlechterkampf inmitten einer Gesellschaft aus Ungerechtigkeiten und Ungleichgewichten austrägt. Nicht nur sind die geschlechtlichen Rollenverteilungen in Thelma & Louise äußerst stereotyp angelegt und als solche überzeichnend ausgestellt, auch die Justiz ist hier an eine Frage der Machtverhältnisse gebunden, sie ist als Stütze des Patriarchats gesetzt, die mehr der Aufrechterhaltung der eigenen Privilegien dient, als der Suche nach Wahrheit und Gerechtigkeit.

Thelma & Louise Film 1991

Thelma & Louise war nicht nur einer der ersten Schauspielauftritte von Brad Pitt, dem danach die große Karriere winkte, zudem ist es eine der ersten filmmusikalischen Arbeiten des Komponisten Hans Zimmer. Seine Vorliebe für E-Gitarren und Synthesizer-Klänge sind diesem Soundtrack deutlich anzumerken, die prägend sein sollten für das zeitgenössische Blockbusterkino. Die Wirkungsmacht dieses Films hat bis heute nicht nachgelassen: Mit Drive-Away Dolls hat Ethan Coen dieses Jahr eine queere Road-Trip-Komödie vorgelegt, die offensichtliche Anleihen bei Ridley Scotts Film macht, aber zu keiner Sekunde auch nur ansatzweise eine vergleichbare spritzige Frische erlangt.

Thelma & Louise liegt nun ab dem 4. Juli 2024 erstmalig  im deutschsprachigen Raum in einer 4K-Fassung vor: Die 3-Disc Limited Collector’s Edition beinhaltet die 4K-Neuauflage des Films, die mittels Dolby Vision und HDR10 einen ungemein bestechenden Bild- und Toneindruck präsentiert. Daneben gibt es die HD-Fassung des Films und eine Bonusdisc mit ausführlichem Hintergrundmaterial aus Interviews, Featurettes und entfallenen Szenen. Ein informatives 24-seitiges Booklet mit einem Text von Robyn Kerkhof liegt dieser umfangreichen Edition von Thelma & Louise ebenfalls bei. Capelight Pictures verhelfen diesem wichtigen Film des feministischen Kinos mit dieser Neuveröffentlichung in 4K zu neuer Sichtbarkeit.

Kinostart: 24. Oktober 1991
Regie: Ridley Scott
Darsteller: u.a. mit Susan Sarandon, Geena Davis, Harvey Keitel, Michael Madsen und Brad Pitt
Filmmusik: Hans Zimmer
FSK-Freigabe: ab 16
Verleih Kino: TOBIS Film
Verleih 4K Blu-ray: Capelight Pictures
Laufzeit: 2 St. 10 Min.

★★★★★★★☆

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