Kritik: Tödliche Versprechen (USA 2007) – Cronenberg und die russische Mafia

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Manchmal liegen Geburt und Tod nah beieinander.

David Cronenberg ist mit Sicherheit kein Regisseur für die breite Zuschauermasse. Mit Filmen wie Videodrome, Die Fliege und Naked Lunch* sicherte sich Cronenberg eine nicht allzu große, aber treue Fanschar um sich. 2005 ging der kanadische Regisseur mit A History of Violence auf größeres Publikum zu und überzeugte dabei ebenfalls in allen Punkten. Doch 2007 schaffte er mit Tödliche Versprechen für mich sein ganz besonderes Highlight und inszeniert einen der besten Mafiafilme überhaupt.

Die Londoner Hebamme Anna muss miterleben, wie eine namenlose osteuropäische Prostituierte bei der Geburt ihres Babys stirbt. Anna setzt alles daran, die Angehörigen des verlassenen Säuglings zu finden. Ihre einzigen Hinweise sind ein russisches Tagebuch und ein Streichholzbriefchen eines russischen Restaurants. Anna folgt der Spur und trifft dabei auf Nikolai. Der arbeitet für den ebenso einflussreichen wie undurchschaubaren Restaurantbesitzer Semyon. Als Anna entdeckt, dass das Tagebuch Beweise enthält, die Semyon und seinen Sohn Kirill für viele Jahre ins Gefängnis bringen könnten, schwebt sie schon längst in höchster Gefahr.

David Cronenbergs Film besticht durch seine grandiose Darstellung der Londoner Mafiaunterwelt. Peter Suschitzky fing düstere und kalte Bilder des verregneten Londons und der Mafiawelt ein, die sich in ihren Merkmalen nicht von Londons Wetter unterscheiden. Der Oscar-nominierte, schwermütige Violinenscore von Howard Shore (Der Herr der Ringe-Trilogie) passt sich genial dem Ton des Films an und untermalt die passenden Szenen mit einer umwerfenden Stärke.

Äußerst interessant erweist sich auch die Besetzungsliste für die russischen Mafiosos. Viggo Mortensen, Vincent Cassel und Armin-Mueller Stahl sind die prägnanten Gesichter der Geschichte. Viggo Mortensen (der bereits für A History of Violence mit Cronenberg zusammenarbeitete), spielt den Chauffeur Nikolai, der sich nach und nach immer mehr aufarbeitet und dem Zuschauer wird schnell deutlich, dass er nicht der ist, für den er sich ausgibt. Vincent Cassel, ein Franzose, spielt Kirill, den Sohn des Mafiaoberhaupts Semyon. Kirill gibt sich ebenfalls für eine andere Art Mensch aus, die er in Wirklichkeit ist. Und dann wäre da noch unser deutscher Darsteller Armin Mueller-Stahl, der ebenjenen zwielichten Londoner Mafiapaten spielt, der unter seiner freundlichen Schale ein schreckliches Gesicht besitzt. Alle drei bringen eine der besten Leistungen ihrer Karriere und bringen die russischen Mafiosos in grandioser Präzision rüber. Auch der gestellte russische Akzent ist nicht nervig und lässt sich kaum von echten Russen unterscheiden. Dazu spielt Naomi Watts (Mulholland Drive), eine der besten Darstellerinnen ihrer Zeit, die gutmütige Anna, die sich in einem Kreis aus Abgründen bewegt, den sie so nie erwartet hätte.

David Cronenberg inszenierte mit diesem Drama einen der außergewöhnlichsten Mafiakrimis überhaupt. Sein Film zielt dabei nicht auf die Handlungen und Vorgehensweisen der Mafia, sondern legt ungemein viel Wert auf die Charakterisierung der Figuren. Nikolai ist nach außen kaltherzig, arrogant und äußerst zynisch. Dass Nikolai, wie erwähnt, nicht die Person ist, die er vorgibt zu sein, wird mit der Zeit klargemacht. Dazu inszeniert Cronenberg die wohl stärkste Szene des Films mit Nikolai. SPOILERANFANG Die Rede ist von der meisterhaften Kampfszene in einer Sauna. Nikolai, völlig nackt, in einem Kampf auf Leben und Tod mit zwei Auftragskillern. Absolut atemberaubend. Anders wie Kirill, der ständig seine angebliche Macht auf Nikolai ausübt und ihm Befehle erteilt. Kirill wirkt nach außen cool, ist in Wirklichkeit aber nur ein feiger Idiot. Kirill wird nach und nach die Coolness genommen, bis er nur noch ein Schatten seiner (zu Anfang) toughen Erscheinung ist. Semyon, der Unterweltpate, ist ein hilfsbereiter Restaurantbesitzer, der aber ein dunkles Geheimnis bewahrt und sein diabolisches und angsteinflößendes Gesicht wird mehr und mehr verdeutlicht. Dazu die gutmütige aber auch naive Anna, die das Tagebuch von Semyon übersetzt haben möchte und immer mehr in einen Strudel aus Gewalt und Lügen gerät. SPOILERENDE Nach und nach lassen alle ihre Masken fallen und die Wahrheit lässt nicht nur einmal Gänsehaut entstehen. Alle Charaktere in Tödliche Versprechen bekommen genügend Zeit, um sich zu entfalten und alle Darsteller spielen jede Facette ihrer Figur authentisch und äußerst intensiv aus. Dazu stellt Cronenberg das Verhältnis zwischen familiärer Wärme innerhalb des Kreises und der kompromisslosen Brutalität der Mafia eindrucksvoll dar. Deswegen hier auch der Hinweis für Zuschauer die etwas zartbesaiteter sind: Tödliche Versprechen ist äußerst blutig! Mit derartigen Szenen geizt der Film zwar nicht, konzentriert sich aber wie gesagt nicht darauf. Die Szenen tragen lediglich ihren wichtigen Teil zur düsteren Atmosphäre des Films bei.

Fazit: Tödliche Versprechen ist ein weiterer Ausnahmefilm in Cronenbergs sowieso unschlagbarer Vita. Ausnahmslos grandiose schauspielerische Leistungen, ein fantastischer Soundtrack und die glaubhafte Darstellung der Londoner Unterwelt ergeben eine in sämtlichen Aspekten herausragende Mafiacharakterstudie.

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