Eine Gastkritik von Marc Trappendreher
“The film which you are about to see is an account of the tragedy which befell a group of five youths, in particular Sally Hardesty and her invalid brother, Franklin. It is all the more tragic in that they were young.”
„A vile piece of sick crap” – so beschrieb das Harper’s Magazine Tobe Hoopers berühmten Horrorfilm The Texas Chainsaw Massacre (1974, dt. Titel “Blutgericht in Texas”), der doch im eigentlichen Sinne kein Gore-Film ist: Der im Dokumentarstil gehaltene Film versetzt fünf Jugendliche, die in Texas unterwegs sind, in einen schrecklichen Albtraum. Die Gruppe von Freunden, die auf dem Weg zu einem Familienbesuch sind, stößt auf eine grausame Familie, die scheinbar grundlos Jagd auf sie macht und von dem berüchtigten Mörder Leatherface angeführt wird.
So überaus simpel wie sich diese minimalistische Handlung präsentiert, so groß war die weltweite Wirkung von Tobe Hoopers Spielfilmdebüt. Als unabhängige Low-Budget-Produktion gelang dem 2017 verstorbenen texanischen Regisseur damals ein sensationeller Erfolg. Bei seinem Erscheinen löste der Film einen weltweiten Skandal aus. Das Exzessive der Gewalt wurde da angeprangert, eine Gewalt die nicht mehr reflexiv und distanzierend, sondern nur noch destruktiv und überbetont zur Schau gestellt würde. Nicht so sehr muss diese kontroverse Rezeptionshaltung in dem Exploitation-Aspekt der Erzählung gelegen haben, sondern vielmehr in dessen Absenz: Der Film beinhaltet kaum graphische und drastische Gewaltszenen, kaum zu sehen sind Verstümmelungen oder Blutexzesse, die der Filmtitel doch eigentlich verspricht.
Sein eigentlicher Horror erwächst vielmehr mittels einer psychologischen Komponente, die die damalige Rezeption erklärlich macht und bis heute an Wirkungsmacht nicht verloren hat. The Texas Chainsaw Massacre folgt einem Spannungsbogen, der einem klaren Steigerungsprinzip verpflichtet ist: Immerzu nehmen die Ausweglosigkeit und die Verzweiflung der Opfer zu, deren Isolation in den Weiten der ruralen Umgebung umso beklemmender wirkt. Ti Wests Horrorfilm X (2022) wurde nicht umsonst unter diesem Aspekt vielfach mit Tobe Hoopers Werk verglichen. Ebenso wie Wests X-Trilogie heute, wurde The Texas Chainsaw Massacre als ein Spiegel der gesellschaftlichen Ängste der 1970er Jahre und der Umbrüche in der amerikanischen Kultur interpretiert. Seine undurchsichtige Erzählweise, die bewusst jede rationale, psychologische oder übernatürliche Erklärung unterdrückt, gilt als ein Indiz, um das Zerrbild eines psychologischen Unterbewusstseins der Vereinigten Staaten zu veranschaulichen.
Trotz seiner gewalttätigen Inhalte hat der Film eine große Fangemeinde kultivieren können und hat seither ein äußerst langlebiges Franchise ausgebildet: Bis heute gibt es neun Filme, die direkt mit dem Originalfilm von 1974 verbunden sind. Dazu gehören Fortsetzungen, Prequels und Remakes. Die bekanntesten sind The Texas Chainsaw Massacre 2 (1986), Texas Chainsaw Massacre: The Next Generation (1994) und das Remake von 2003 sowie dessen Fortsetzung The Texas Chainsaw Massacre: The Beginning (2006). Die Reihe hat sich im Laufe der Jahre weiterentwickelt und neue Filme wurden hinzugefügt, darunter der neueste Netflix-Film von 2022.
Bereits 2022 wurde The Texas Chainsaw Massacre in einer 4K-Version restauriert zurück ins (Heim-)Kino gebracht und mit reichem Bonusmaterial neu aufgelegt. Durch den 4K-Transfer und die damit erreichte höhere Auflösung, ist zunächst der Bildeindruck mitsamt HDR und Dolby Vision eine deutliche Verbesserung zu der Full-HD-Blu-ray-Ausgabe. The Texas Chainsaw Massacre ist aber auch ein Film der ästhetischen und vor allem der auditiven Dissonanzen.
Seine Wirkung bezieht der Film denn auch über seinen höllisch schrillen Soundtrack, in dem das Geräusch von aufeinanderprallendem Schrott, Schweinen und anderen Tieren zu hören ist. So wird die Gruppe an Jugendlichen in einen Albtraum hineingezogen, der besonders auf der misstönenden Audiospur seinen Ausdruck findet – die erlebte Gewalt am Körper der Bildebene wird mithin zur empfundenen Gewalt des Publikums auf der Tonebene. Die jeweiligen Aufbereitungen des Tons dieser Neuausgabe in Atmos und Auro 3D tragen maßgeblich zu einer Optimierung der Klangqualität bei – noch unbehaglicher erklingt nun das Surren der Kettensäge und schafft so ein überaus intensives Filmerlebnis. Anlässlich des jetzt 50-jährigen Jubiläums ist der Film ab dem 11. Oktober 2024 wieder für kurze Zeit in ausgewählten Spielorten auf der großen Leinwand zu sehen. Das solltet ihr nicht verpassen!
Re-Release Kino: Drop-Out Cinema
Verleih (4K) Blu-ray: Turbine Medien
Regie: Tobe Hooper
Darsteller: u.a. mit Marilyn Burns und Allen Danziger
FSK-Freigabe: ab 18
Laufzeit: 1 St. 23 Min.
★★★★★★★☆