Kritik: Mississippi Burning – Die Wurzel des Hasses (USA 1988)

Eine Gastkritik von Marc Trappendreher

Mississippi Burning 1988 Gene Hackman

“If you were a Negro, nobody would give a damn what you thought.”

Kaum ein anderer Film der Achtzigerjahre hat die Herausforderungen des Kampfes für Bürgerrechte und die dunkle Geschichte der Rassentrennung in den USA so eindringlich thematisiert wie Mississippi Burning. 1988 in den Kinos erschienen, verstörte dieser lose auf wahren Begebenheiten basierende Film die Öffentlichkeit. Die Aufklärung der Ereignisse rund um die Ermordung von drei Bürgerrechtlern im Jahr 1964 in Mississippi verlangt nach zwei FBI-Ermittlern, dem routinierten Agenten Rupert Anderson und seinem idealistischen Kollegen Alan Ward, gespielt von Gene Hackman und Willem Dafoe, die in die tiefen Südstaaten reisen, um die verschwundenen Aktivisten zu finden. Die rassistisch motivierten Verbrechen aufzuklären, zeigt der Film im Spannungsfeld zwischen den Ermittlern und der lokalen Bevölkerung, deren Mentalität oft von Vorurteilen und Angst geprägt ist. Während die Agenten versuchen, die Wahrheit ans Licht zu bringen, stoßen sie auf Widerstand und eine Kultur des Schweigens, die von Rassismus und Gewalt geprägt ist, beides, so erkennen die Ermittler schnell, wird in Jessup County offen ausgelebt. Damit nicht genug: Die Verwaltung des Bundesstaates, mitsamt seinem Bürgermeister und seinen Ordnungshütern, bildet letztlich ein dichtes Netz, das das organisierte Verbrechen in Form des dort umtriebigen Ku-Klux-Klan nicht nur halbwegs legitimiert, sondern auch vertuscht, obendrein sogar den Hass immer weiter befeuert.

Unter der Regie von Alan Parker (1944-2022) entwickelt der Film so einen verstörenden Abstieg in die Tiefen des menschenverachtenden Hasses, der einem am Ende nur ratlos zurücklässt. Dafür nutzt der Film zunächst eine dem kriminalistischen Thriller eher fremde narrative Struktur: Die zu ermittelnden Morde an den drei Aktivisten werden gleich zu Beginn gezeigt, auch die Täter sind mit den lokalen Sheriffs identifiziert und so im Umfeld der örtlichen Behörden zu suchen. Mississippi Burning folgt als Thriller somit nicht den Konventionen des Whodunit, demgemäß die Aufklärung des Verbrechens erst ganz am Ende mit der Identifikation des Täters einhergeht. Nicht so sehr der Aufklärungsarbeit gilt hier also das Augenmerk, sondern dem Freilegen einer tiefgreifenden Unmenschlichkeit, zu dessen stillen Beobachter wir werden. Erschreckend darin ist zuletzt der nüchterne Umstand, dass man sich an die dort beschriebene Gewalt allmählich gewöhnt, nicht nur an die brachiale, unmittelbar am Körper erlebte Gewalt, sondern auch jene die in der Sprache liegt: in den vielen schmerzlichen Worten, die auf die direkte Entwürdigung des Menschen zielen.

Alan Parker, der mit dem Film Angel Heart ein Jahr zuvor einen aufgrund seiner freizügigeren Darstellung von Sexualität polarisierenden Film in die Kinos brachte, legte mit Mississippi Burning einen nicht minder umstritten diskutierten Film vor. Zum einen legte Mississippi Burning seinen Finger in immer noch sehr gegenwärtig offene Wunden der US-amerikanischen Geschichte, zum anderen irritierte besonders die Ziellosigkeit der geschilderten Erzählung, die einen immer stärker werdenden Zynismus erkennbar werden lässt: Je näher das Ermittlerpaar der Aufklärung des Verbrechens kommen, desto mehr nimmt die Gewalt zu. Sie entwickelt sich schnell zu einer Spirale, die sich gegen Ende vollkommen desillusioniert gibt: Es sind letztlich die unmenschlichen Gewaltpraktiken von Ward, der damit eigenwillig jenseits der Rechtsstaatlichkeit agiert, die den Fall lösen und die Täter dingfest machen. Der besonnene Kollege Ward muss einsehen, dass man in den tiefsten Südstaaten, der rassistisch motivierten Gewalt nur mit noch mehr Gewalt beikommen kann. Mississippi Burning beschaut seine hasserfüllten Ausbrüche aus Gewalteskalation und mehreren Brandstiftungen mit kühler Distanz; seine zentralen Fragen rund um rassistische Vorurteile und religiösem Fanatismus deutet er nicht immer als zeit- und ortsgebunden und lässt sich so auch als filmischen Verweis auf auch heute noch sehr verwandte aktuelle Problemfelder lesen.

Capelight Pictures hat die neue Restaurierung dieses eindringlichen Films der ausgehenden Achtzigerjahre am 19. September 2024 in einem 4K-Mediabook veröffentlicht. Mehrere Interviews der Filmschaffenden sind auf einer Bonusdisc verfügbar, die über die künstlerischen Ansprüche von Mississippi Burning informieren. Der beiliegende 24-seitigen Booklet-Text von Tobias Hohmann zeichnet die Entstehungsgeschichte des Films nach, beleuchtet seine Rezeption aus damaliger Empörung und späterer Wertschätzung näher.

Verleih (4K) Blu-ray: Capelight Pictures
Regie: Alan Parker
Darsteller: u.a. mit Gene Hackman, Frances McDormand und Willem Dafoe
FSK-Freigabe: ab 16
Laufzeit gesamt: 2 St. 8 Min.

★★★★★★☆☆

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