"Die Entdeckung der Unendlichkeit" (GB 2014) Kritik – Hinter jedem Genie steht eine starke Frau

Autor: Pascal Reis

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„While there’s life, there is hope.“

Was wäre die flamboyant aufgebauschte, im Endeffekt aber doch vollkommen redundante Oscar-Saison schon ohne zünftige Biographien in ihren Reihen? In diesem Jahr finden sich mit „The Imitation Game – Ein streng geheimes Leben“, „Selma“ sowie „Die Entdeckung der Unendlichkeit“ gleich drei Vertreter des relativ zahmen Genres im Rennen um die heißbegehrten Trophäen wieder und konkurrieren in mehreren Kategorien miteinander (u.a. Bester Film). Dass Biopics gerne mal als ‘sichere Nummer’ eingeschoben werden, wenn es um die Academy Awards geht, hat uns die Vergangenheit gelehrt: Der Kinogänger liebt es innig, einen tieferen Einblick in das Leben diverser schillernder Persönlichkeiten zu halten. Die Krux an der Sache ist nur, dass viele Filme dieser Gattung nicht dazu in der Lage sind, ihren realen Vorbildern dahingehend pietätvoll zu ehren, in dem sie versuchen, ihnen auf Augenhöhe zu begegnen, sondern sie mit Nachdruck durch die auf normative Konformität bedachte Hollywoodmaschinerie scheuchen.

„Die Entdeckung der Unendlichkeit“ ist da keine Ausnahme: Wer Reibungspunkte sucht, der wird in James Marshs („Show Dancer“) Stephen-Hawking-Biopic definitiv nicht fündig. Und da kann man schon mal ernüchtert die Schultern hängen lassen, sind die intentionalen Voraussetzung für „Die Entdeckung der Unendlichkeit“ durchaus vielversprechend. Anstatt dem Wissenschaftler Stephen Hawking ins Zentrum zu rücken, geht es um die Privatperson Stephen Hawking und seine Ehe mit Jane. Hawking, der an der Universität Cambridge in Physik promovierte, wird zu Anfang noch als lebensfroher Mann vorstellt, irgendwie nerdig, so wie ihm die Hornbrille schräg auf der Nase klebt, aber immer mit einem diebischen Lächeln auf den Lippen unterwegs. Als ihm die amyothrophe Lateralsklerose diagnostiziert wird, noch bevor er seine Dissertation fertiggestellte, hätte das viele Menschen mit Sicherheit abschreckt, Jane aber bleibt an seiner Seite, versucht Stephen zu stützen und gibt ihm so die später globale Popularität einbringende Motivation, niemals aufzugeben.

Für Hawking hieß es immer, dass die Kosmologie die Religion für intelligente Atheisten sei: Er glaubte an die eine einheitliche Gleichung, mit der man sowohl unser Universum und die dazugehörigen Phänomene erklären kann, als auch simultan dazu die Gegenwart Gottes widerlegen. „Die Entdeckung der Unendlichkeit“ aber zeigt reges Interesse daran, Hawking als einen Menschen einzufangen, dessen Religion Liebe bedeutet: Seine Frau brummt sich unendliche Lasten auf den Rücken, akzeptiert den physischen Verfall ihres Mannes, ohne auch nur einmal in ein emotionales Loch zu kippen oder heftige Zweifel zu äußern, stattdessen gibt es nur eine kleine, irgendwie alibimäßig eingeschobene Sequenz, in der Jane in einem Waldstück heimlich Krokodilstränen kullern lässt, ihre schiere Selbstaufoperung aber doch vollends verfolgt, als würden die Bedürfnisse ihrer Existenz nur dann einen Wert besitzen, wenn auch Hawking zu neuen Ufern aufbricht. Dass „Die Entdeckung der Unendlichkeit“ letzten Endes ein ungemein leerer Film geworden ist, mag vielleicht in Relation mit dem immensen Respekt stehen, der es einfach nicht zugelassen hat, menschliche Schwächen zu beglaubigen.

Die allerdings wären es gewesen, um „Die Entdeckung der Unendlichkeit“ eine Chance auf introspektiven Tiefgang zu verleihen und damit auch über den biederen Tellerrand hinaus als ein ansprechendes Projekt zu kennzeichnen. Das säuselnde Piano auf der Tonspur hingegen ist bereits Indikator genug, dass wir es auch in diesem Fall mit der obligatorisch auf simplistische Formelhaftigkeit gebürsteten und auf instruktive Grauzonen verzichtenden Biopic-Konfektionsware zu tun bekommen: Synthetisch, ungreifbar und selber irgendwo noch betroffener, als es der Zuschauer angesichts dieser permanent feuernden Kitschkanonaden jemals sein könnte. Am Ende liegt es an einem famosen Eddie Redmayne, dass „Die Entdeckung der Unendlichkeit“ nicht vollständig aus dem Rahmen bricht, der zwar mit einer unterentwickelten Charakterisierung vorliebnehmen muss, durch seine nuancierte Darstellung aber das Bestmögliche herausholt. Die langwierigen Vorbereitungen haben sich allemal bezahlt gemacht und das durchgängige Lob für seine Leistung darf sich als gerechtfertigt beweisen. Immerhin etwas.

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