Pixar: Noch vor einigen Jahren konnte allein der Klang des Namens meinem Gesicht ein Lächeln entlocken und entführte Jahr für Jahr wieder jung gebliebene Kinoenthusiasten in fantastisch-schräge Animationswelten. In den letzten Jahren jedoch verlor das ehemals wohl innovativste der großen amerikanischen Animationsstudios zusehends an Magie und produzierte statt originärer Stoffe vermehrt Se- und Prequels etablierter Marken. Natürlich ist dies nicht gleichbedeutend mit einem absoluten Qualitätsabfall. „Die Monster Uni“ erwies sich beispielsweise als herrlich kurzweiliges Gagfeuerwerk und liebenswerte Hommage an einschlägige College-Filme und „Toy Story 3“ entpuppte sich sogar als einer der besten Animationsfilme überhaupt. Nachdem sich das Studio 2014 eine kleine Ruhepause gegönnt hatte, sollten dieses Jahr gleich zwei neue Filme in die Kinos gebracht werden. Dass es sich dabei nicht um Fortsetzungen altbekannter Marken handeln sollte, sondern frische Stoffe auf die Leinwand gebracht werden sollte, lies die Vorfreude noch einmal deutlich steigen. Gleich der erste Film erwies sich dabei als absolute Punktlandung: „Alles steht Kopf“ besann sich auf die typischen Pixar Tugenden und konnte Kritiker wie Publikum gleichermaßen überzeugen und wurde auch finanziell zu einem absoluten Volltreffer für das Studio. Inzwischen konnte der Film weltweit über 850 Millionen US-Dollar einspielen und legt so die Messlatte in allen Bereichen ziemlich hoch für den zweiten Pixar des Jahres. „Arlo & Spot“ zieht jedoch nicht nur im qualitativen Direktvergleich mit „Alles steht Kopf“ den Kürzeren, sondern gehört leider zu den bisher schwächsten Produktionen aus dem Hause Pixar.
In „Arlo & Spot“ werfen die kreativen Köpfe bei Pixar die Frage auf, wie sich unsere Welt entwickelt hätte, wenn nicht vor knapp 65 Millionen Jahren ein gigantischer Meteorit die Erde getroffen und damit das Ende der Dinosaurier-Ära besiegelt hätte. Herausgekommen ist dabei eine Dinosaurier-Parallelgesellschaft, die sich ähnlich merkwürdig anfühlt, wie 2006 die Autogesellschaft in „Cars“. Berufs- und Gesellschaftskonzepte, wie wir sie kennen, wurden kurzerhand in diese Dinosaurier-Parallelwelt übertragen. Wenn Diplodocus-Bauern, T-Rex-Cowboys, geflügelte Echsen-Viehdiebe und Flugsaurier-Sektenanhänger die „prähistorischen“ Landschaften durchstreifen, sorgt das natürlich für den ein oder anderen gelungenen Gag der Marke „Feuerstein“ (Insbesondere Sam Elliott als T-Rex-Cowboy ist einfach fantastisch), lässt aber letztlich kein stimmiges Gesamtbild zu.
Stimmig hingegen sind die fantastischen Landschaftsanimationen in „Arlo & Spot“. Nie sah die Natur in einem Animationsfilm so lebendig aus. Fast fotorealistisch wirken die schier endlosen Waldgebiete, die von majestätischen Berggruppen eingerahmt werden. Als Vorbild dienten hier die unberührten Weiten im Nordwesten der USA. Der Ruhe der Landschaft gegenüber steht die unberechenbare Kraft des Wassers und des Wetters. Wenn sich Gewitterfronten unheilvoll zusammenschieben und sich der Regen sturzflutartig über den Hauptcharakteren ergießt, ist die Gefahr förmlich spürbar. Im absoluten Kontrast zu diesen erhabenen Naturbildern stehen die merkwürdig comichaften Dino-Charaktere. Seltsam künstlich und so stark überzeichnet, wobei ihr Design stellenweise schon fast ins Groteske abdriftet, stapfen Arlo und Konsorten durch die lebendigen Naturanimationen. Insbesondere die Animation des Hauptcharakters und dessen Familie wirkt gerade im Vergleich mit anderen Pixar-Figuren wie ein technischer Rückschritt.
Storytechnisch kommt Peter Sohns („Teilweise wolkig“) „Arlo & Spot“ ungewohnt altbacken daher. Bis auf wenige Ausnahmen („Cars“ & „Cars 2“) schaffte es das Studio immer, Unterhaltungsfilme zu kreieren, die Erwachsene und Kinder gleichermaßen ansprachen. Dies lag insbesondere an der Doppelbödigkeit der Themen und einer für westliche Trickfilmstudios eher unüblichen emotionalen Tiefe. „Arlo & Spot“ hingegen bedient sich thematisch an den altbekannten Disney-Klassikern, behandelt Werte wie Familie, Freundschaft und die Überwindung der kindlichen Unsicherheiten und lässt dabei sogar den obligatorischen Verlust eines Elternteils nicht aus. „König der Löwen“ lässt grüßen. Eingebettet wird das Ganze in die „Ein Junge und sein Hund“-Thematik, in der sich Hund und Herrchen gemeinsam den Gefahren der Welt entgegenstellen, um letztlich wieder nach Hause gelangen zu können.
Thematisch ist „Arlo & Spot“ also ein klassischer Diney-Film. Kein Problem damit. Dennoch gibt es immer wieder einzelne Szenen im Film, die diese süße Kinderfilmatmosphäre brechen und gerade für jüngere Kinozuschauer doch etwas hart anmuten dürften. Wenn hier in einer Szene beispielsweise einem lebendigen Käfer in Nahaufnahme der Kopf abgerissen oder ein flauschig-süßes Nagetier bei lebendigem Leibe verspeist wird, dann dürfte dies bei dem einen oder anderen jüngeren Kinogänger seinen Tränentribut fordern.
Fazit: „Arlo & Spot“ ist ein netter Kinderfilm – nicht mehr und nicht weniger. Die fantastischen Landschaftsanimationen trösten etwas über die ausgelutschte Thematik hinweg, können die Schwächen des Films jedoch nicht kaschieren. Letztlich verlässt man den Kinosaal etwas enttäuscht und flüchtet sich in Gedanken wehmütig in bessere Pixar-Zeiten. Dass mit Pixar noch immer zu rechnen ist, haben sie glücklicherweise erst in diesem Jahr wieder mit „Alles steht Kopf“ bewiesen.