Eine Gastkritik von Michael Gasch
They can eat war.
Im letzten Jahr ging es bereits los: Die Frage “How often do you think about the Roman Empire” ging durch die ganze digitale Welt und jeder war irgendwie überrascht, dass dieses maximal entfernte Thema vom Alltag doch irgendwo in einer Synapse zu finden war, freilich mehr bei den Männern als bei den Frauen. Man möge meinen, Gladiator II kommt also zum perfekten Zeitpunkt: Immerhin wird diese Frage immer noch gestellt, auch wenn sie bis dato mehr an Francis Ford Coppolas Mammutwerk Megalopolis angelegt wurde. Kann Gladiator II diesen Spot nun für sich beanspruchen und liefert interessante Antworten, warum gerade diese antike Zeit in den Köpfen ist?
“Warum überhaupt Geschichtskino?” ließe sich an erster Stelle fragen, denn die Zeiten von Troja (2004), Königreich der Himmel (2005) und eben Gladiator (2000) sind schon für sich ein Relikt der Vergangenheit. Immer wieder wird versucht, dieses Genre neu zu beleben, mehr schlecht als recht, denkt man nur an das Remake von Ben Hur zurück. Ist es also ein passender Moment, wenn Coppola mit Megalopolis den letzten Monumentalfilm unserer Zeit ablieferte und auf der anderen Seite der gewagte Historienporno Caligula (1979) erneut in den Kinos läuft? Gibt es überhaupt einen passenden Spot für die Fortsetzung von Ridley Scott?
Den gibt es definitiv, nicht aber aus einer inszenatorischen Perspektive, vielmehr aus einer ideologischen, gar politischen. Dieser Tage überschlagen sich die Ereignisse. Nicht nur steht Amerika aufgrund der Wahlergebnisse auf dem Kopf, auch Deutschland ist von dem Regierungszerfall betroffen. Gladiator II, der auch vom Untergang eines Imperiums und dem Schrei nach einer besseren Gesellschaft erzählt, könnte zu keinem besseren Zeitpunkt kommen. Unzählige Parallelen lassen sich daher ziehen, obgleich das sicherlich nicht die Absicht Scotts war. Dennoch, es ist unterhaltsam, wenn ein Affe einen Regierungsposten zugeteilt bekommt (jeder darf für sich selbst entscheiden, mit welchem Politiker ein Vergleich angebracht ist) oder Acacius (Pedro Pascal) verlautbaren lässt: „Ich bin kein Redner und kein Politiker, ich bin Soldat.” Wenn man Gerede mit Passivität und Handlung mit Aktivität gleichsetzt, von der es gerade dieser Tage ja so viel zu geben scheint (Sarkasmus), dann erhält Gladiator II schon einen tollen Subtext. Das macht aber zumindest den Geschichtsunterricht gleich viel interessanter, der grundsätzlich ja nicht dafür bekannt ist, Historie attraktiv zu machen. Aber das liegt wohl in der Sache der Natur, wenn das Sujet sich zwischen Völkermorden, Folter und Hinrichtungen bewegt.
Während Megalopolis der letzte Film seiner Art sein will, scheint Gladiator II den filmischen Gegenspieler abzugeben. Scott präsentiert nach Napoleon erneut Geschichtskino, welches sich nicht ganz lösen kann. Weder von dem Wandel der Zeit, noch den eigenen Ursprüngen. Zu sehr scheint Scott an Gladiator und Russel Crowe zu hängen, wie die Flashbacks im neuen Film nun verdeutlichen. Im Film liegt damit ein Paradoxon: Auf der einen Seite kann Gladiator und Scott scheinbar nicht ohne das Vergangene. Auf der anderen Seite versucht er maximal davon Abstand zu nehmen und sich dem jüngeren Publikum anzubiedern – man denke nur ein den völlig deplatzierten Rap-Song, der für den Trailer des Monumentalfilms herhalten musste. Doch handelt es sich tatsächlich um einen Monumentalfilm? Zwar soll der Film gigantische 300 Millionen Dollar Budget verschlungen haben, einen nicht unerheblichen Anteil fallen aber auf Produktionsrückschläge, besonders durch den mittlerweile gelösten Streik in Hollywood.
Bedeutet Monumentalfilm aber nur große Bilder oder verbirgt sich noch mehr dahinter? Scott dachte auf den ersten Blick scheinbar genug über das Römische Reich nach und erkannte dessen einzigartige Charakteristika. Wie es vermutlich auf alle Imperien zutrifft, war auch das Römische Reich größer als die Summe von Regierungssystem, Gesellschaft und Kultur. Irgendein Mythos scheint ihm innezuwohnen, womit sich der Kreis zur eingangs gestellten Frage schließt. Man denkt über dieses Thema nach, weil es so groß, so unvorstellbar, so monumental erscheint.
Der Schein trügt jedoch, da Scott uns keine Welt vorsetzt, die vom großen Mythos lebt. Statt diesen aufzubrechen und zu ergründen, schafft es Scott nur ganz selten aus der Redundanz heraus. Viel zu sehr lebt seine Welt nämlich von den Stars und nicht von der eigentlichen Gesellschaft. Man merkt das daher, dass der Film am interessantesten ist, wenn das Volk unruhig wird und kurzerhand später die Welt auf dem Kopf steht, so wie auch in Civil War oder zuletzt in Joker: Folie à Deux. Es scheint, als wäre die Subversion damit das aktuelle Trendthema – doch wen überrascht das? Der Mythos bleibt also bestehen, er scheint untrennbar wie Blut im Sand. In Hinblick auf den angesprochenen Trend auf TikTok und Co. scheint dies auch die Frage nach dem “Warum?” zu beantworten. Obgleich Gladiator II inszenatorisch unterwältigend ist, verdient er sich zumindest ein paar Punkte aus ideologischer und politischer Perspektive.
Kinostart: 14. November 2024
Regie: Ridley Scott
Darsteller: u.a. mit Paul Mescal und Denzel Washington
FSK-Freigabe: ab 16
Verleih Kino: Paramount Pictures
Laufzeit: 2 St. 30 Min.
★★★★☆☆☆☆