Kritik: Hell or High Water (USA 2016)

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© Paramount Pictures Germany

I’ve been poor my whole life, like a disease passing from generation to generation. But not my boys, not anymore.

Dominics Meinung

12 Millionen Dollar. Diese Summe hat die komplette Produktion von Hell or High Water veranschlagt und auch wenn bereits bessere Filme für deutlich weniger Geld gedreht wurden, so ist die Summe trotzdem erstaunlich. Vieles an David Mackenzies Film erweckt den Eindruck er wäre kostspieliger gewesen. In vorderster Front sind es natürlich Darsteller wie Jeff Bridges, Chris Pine und Ben Foster, die den Eindruck einer Multimillionen-Dollar-Produktion evozieren. Doch auch darüber hinaus sind beinahe alle Facetten des Films, angefangen bei der Optik über Kostüme und Ausstattung bis hin zum Soundtrack, hochwertig eingefangen. Natürlich sind 12 Millionen dennoch eine gewaltige Summe, aber nichtsdestotrotz ist es ein schöner Umstand, dass mainstreamtaugliches Hollywoodkino auch in den niedrigen Budgetbereichen ausgezeichnet funktionieren kann.

Alles wirkt wie ein Klischee. Staubige Felder, ausgebrannt von der unbarmherzigen Sonne. Schnauzbärtige Männer in ausgewaschenen Hemden sitzen auf der Veranda, trinken ein kühles Bier und polieren ihre Waffen. Texas scheint einer dieser Staaten zu sein, in dem die Zeit einfach stillsteht. So still, dass selbst Banken noch keine Überwachungskamera haben und die verlässlichste Methode der Polizeiarbeit simples Warten darstellt. Ein von Nick Cave und Warren Ellis stammender Soundtrack eilt der trostlosen Optik voraus, wir hören die Klänge bevor wir unsere Protagonisten als unerfahrene, aber entschlossene Bankräuber kennenlernen. Was in den nächsten 100 Minuten folgt ist durchgehend stimmig (vor allem der texanische Dialekt trägt im Original viel dazu bei), aber nie sonderlich unvorhersehbar erzählt. Es wirkt beinahe etwas faul, so als würde sich der Regisseur auf den gelungenen Komponenten seines Films ausruhen, sich über die kantige Performance von Ben Foster, den westernartigen Soundtrack oder seiner gelungenen Optik freuen und dabei eine zentrale Botschaft vernachlässigen. Sicherlich greifen die einzelnen Teile des Films spürbar flüssig ineinander, doch kann sich Hell or High Water nicht dem Eindruck verwehren, als klassisches Erzählkino ein Stück weit zu klassisch zu sein. Inwiefern man das als Stärke oder Schwäche wertet, sei jedem Zuschauer selbst überlassen.

Hell or High Water vereint zahlreiche Einflüsse, bündelt Sozialdrama und Heist-Movie unter einer allgegenwärtigen Westernikonographie und besticht dadurch vor allem durch Atmosphäre und Optik. Erzählerisch scheint die altbekannte Brüderdynamik um einen kriminellen Hitzkopf und dessen vernünftigerem Pendent ebenso überholt wie die vorherrschend rückständige Mentalität in Texas. Der Geschichte um einige verzweifelte und schlecht organisierte Banküberfälle fehlt es an Substanz, Überraschung und Spannung. So ruhig und stimmungsvoll Mackenzies Film auch erzählt ist, für die kurz angeschnittene Tiefe scheint kein wirklicher Platz zu sein. Das ist schade, denn so verpufft ein Teil der Wirkung im leeren Raum und der Film lässt einem mit dem hohlen Gefühl zurück doch alles schon einmal gesehen zu haben.

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© Paramount Pictures Germany

Pascals Meinung

Eine sonnendurchflutete Stadt, auf die ein strahlend blauer Himmel herab lächelt, während die Rinderherden auf den Weiden grasen und die Cowboys der Neuzeit ein eiskaltes Bier auf der heimischen Veranda genießen. Zwei dunkle Striche verfinstern das klischeebehaftete Texas-Postkartenidyll allerdings unverzüglich: Zwei Brüder, Toby (Chris Pine, Star Trek Beyond) und Tanner (Ben Foster, Warcraft: The Beginning), deren Lebenslinien gesäumt von individuellen Verfehlungen sind. Das Scheitern an sich, am Leben, an der Welt. Und weil ihnen selbst nichts mehr geblieben ist, versuchen sie, die Existenzgrundlage ihrer Liebsten zu sichern, um Erwartungen zu befriedigen, die sie selbst nie hegen durften.

Hell or High Water versteht sich dabei als staubiger (nicht qualitativ gemeint) Neo-Western und blickt in ein verwahrlostes, resignierendes Americana, in dem die Armut wie eine Krankheit von Generation zu Generation zieht. Die Menschen hier sind müde. Müde, das Richtige tun zu wollen und dabei doch nur immer wieder noch tiefer in die Scheiße abzurutschen. Müde, ja, aber noch nicht gänzlich ausgebrannt. Sicherlich wird man David Mackenzie (Mauern der Gewalt) keinen Innovationspreis für Hell or High Water verleihen, aber der Film ist geerdet, eindringlich gespielt, mit passendem Augenzwinkern versehen und versteht es darüber hinaus, Landschaften als allegorische Projektionen der Gefühlswelten aufzugreifen: Mal in sich ruhend, mal ausgetrocknet, mal ungezähmt und in Flammen aufgehend, aber immer ewig während.

Hell or High Water ist ab dem 12. Januar im Kino zu sehen.

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