Kritik: Mickey 17 (USA, KR 2025)

Eine Kritik von Hendrik Warnke, erstmals zu lesen am 15. Februar 2025, gesehen im Rahmen der 75. Berlinale.

Mickey 17 2025 Film Kritik Trailer

“Hi Mickey, are you experiencing any vertigo?”

Sechs Jahre nach seinem vermeintlichen Magnum Opus Parasite und mit nur ganz geringfügig verschobenem Start, ist der koreanische Meisterregisseur Bong Joon-ho zurück. Mickey 17 verspricht sich als schwarzhumorige Sci-Fi-Satire um das Thema Klonen und menschlichen Wert. Im Mittelpunkt des Ganzen ist Mickey Barnes, der sich vor einem Kredithai auf ein Kolonialisierungsraumschiff flüchtet. Blöd nur, dass die Plätze auf dem Schiff heiß begehrt sind, sodass Mickey sich, um an Bord zu kommen, als Entbehrlicher meldet. Konkret heißt das, sein Job ist, menschliches Laborkaninchen zu sein. Wenn er stirbt, wird er geklont, erhält seine gespeicherten Erinnerungen und weiter geht’s. Soweit so dystopisch. Bis Mickey in seiner siebzehnten Version bei einem Unfall doch nicht stirbt, sondern sich zurück auf’s Schiff schleppt, wo er prompt Mickey 18 in die Arme läuft…

Was sich von hier an entfaltet, ist eine Klongeschichte, deren Fragen nach Individualität, Menschen zweiter Klasse und der Kostbarkeit des Lebens schon tausend Mal durchgespielt wurden. Es ist also eine durchaus kluge Entscheidung des Films, nicht auf eine große Parabel hinaus zu wollen, sondern die entsprechenden Fragen immer wieder geschickt und eher hintergründig in die Handlung einzuweben. Allerdings bedeutet das im Umkehrschluss, wer eben einen großen philosophischen Diskurs um die Ethik des Klonens erwartet, wird enttäuscht sein. Tatsächlich hat Mickey 17 in dieser Hinsicht kaum etwas zu sagen, das sich nicht wie ein knappes Abhandeln der Grundlagen anfühlt.

Doch daran scheint er auch gar kein Interesse zu haben. Mickey 17 ist eine waschechte Satire, die sogar parodistische Züge aufweist. Alles ist überzeichnet und moralisch eindeutig – natürlich sollte es Klone nicht in dieser Form geben. Vielmehr geht es dem Film darum, wie es sich für vernünftige Science Fiction gehört, auf die strukturellen Ursachen seiner Problem in der Gegenwart hinzuweisen. Und wie es sich für eine vernünftige Satire gehört, das durch Überspitzung gesellschaftlicher Phänomene zu tun. Im Film zeigt sich das dann vielseitig, oftmals aber durch eine gewisse Rollenumkehr. Das gilt beispielsweise für den Komplex Migration/Kolonialisierung, vor allem aber für den Aspekt Gender. Mickey 17 betont den Körper nicht nur, sondern objektifiziert ihn im engsten Sinne. Mickey ist kein richtiger Mensch, seine Entbehrlichkeit macht ihn nützlich, sein Körper ist Werkzeug. Das hat natürlich einen gewissen antikapitalistischen Touch, wird aber ebenso in einen sexuellen Rahmen gesetzt. Mickey ist nicht nur Objekt im Sinne von Werkzeug, sondern explizit auch Sexobjekt und wird von genauso explizit weiblichen Figuren zu diesem gemacht. Ungewöhnlich gerade in der Science Fiction.

Mickey 17 Robert Pattinson

Doch bei all diesen thematischen Bezugspunkten gehört eine Sache nochmal betont: Mickey 17 ist kein hyperintellektueller Film. Wie von Bong gewohnt, verknüpft auch Mickey 17 viele sozialkritische Themen mit einer spielerischen Erzählweise, die ebenso kritisieren, wie unterhalten will. Ganz so fantastisch wie in Parasite gelingt das aber nicht. Das Gefühl, dass man hier mehr massentauglicher Blockbuster als nachdenkliches Kino sein will, drängt sich vor allem in der zweiten Hälfte auf, wenn sich der Film dann doch arg auf die reine Handlungsebene konzentriert und sich irgendwo auch in dieser verliert. Das enttäuscht – auch wenn man die über 100 Millionen Dollar im Budget durchaus sieht – ein wenig, weil der Film dadurch einen Teil seines Charmes einbüßt. Mit voranschreitender Laufzeit gibt es immer wieder Momente, die sich beliebig oder austauschbar anfühlen.

Völlig auseinander bricht Mickey 17 allerdings zu keinem Zeitpunkt. Zu stark sind Inszenierung, Szenenbild und vielleicht etwas unter dem Radar auch der Soundtrack. Es gibt kaum einen Moment, der nicht in irgendeiner Form zum Hinschauen und Hinhören, Lachen oder Mitfiebern einlädt. Darunter fallen Momente von großartigem Slapstick, ein tolles komödiantisches Timing und nicht zuletzt der Cast. Robert Pattinson ist fantastisch in doppelter Hauptrolle und sorgt sogar dafür, dass der hohe Voiceover-Anteil zu einer echten Freude wird. Ein persönliches Highlight ist aber Mark Ruffalo als Donald Trump… öhm, ich meine natürlich Hieronymus Marshall. Herrlich überdreht und in seiner Hochnäsigkeit stark an seine Rolle als Duncan Wedderburn in Poor Things erinnernd.

Und nicht nur in dieser Hinsicht ist ein Vergleich zu Poor Things spannend. Denn dieser ist, ähnlich wie Mickey 17, ein großer Schritt in Richtung Mainstream eines gefeierten Autorenfilmers. Yorgos Lanthimos, da sind sich Publikum und Kritik weitgehend einig, hat das keinen Abklang getan. Bong Joon-ho bewegt sich mit Mickey 17 aber noch weiter ins Blockbusterkino vor und erbt damit auch einige von dessen Krankheiten. Dennoch muss man anerkennen, dass Mickey 17 im wahrsten Sinne des Wortes großes Kino ist. Und auch wenn ich persönlich mir lieber einen spirituellen Nachfolger von Memories of Murder oder Parasite gewünscht hätte, kann ich mit einem Mickey 17 im Rampenlicht deutlich besser leben als mit den üblichen Franchisefilmen.

Kinostart: 6. März 2025

Regie: Bong Joon-ho
Darsteller: u.a. mit Robert Pattinson und Mark Ruffalo
FSK-Freigabe: ab 12
Verleih Dt.: Warner Bros. Pictures Germany
Laufzeit: 2 St. 17 Min.

★★★★★★☆☆

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