Kritik: Out of the Dark (CO/ES/US 2014)

Blinde Kuh Reloaded!
© Vertical Entertainment

„Ich weiß, was ich gesehen habe!“

Den in Barcelona geborenen Regisseur Lluis Quilez sollte man in der Zukunft tatsächlich einmal genauer ins Auge fassen. Und das, obwohl sein erster Spielfilm „Out of the Dark“ nicht einmal sonderlich gelungen ist. Aber wie es oftmals nun mal so ist, gewinnen Filme ihren Reiz nicht aus der ästhetischen Formvollendung, sondern weisen in ihrem Scheitern ansprechende Facetten auf, mit denen man sich viel eher auseinandersetzen möchte: Es lockt das Unfertige, Ungenaue, Unentwickelte. „Out of the Dark“ bildet dort keine Ausnahme, paradoxerweise ist das Endergebnis ein Horror-Film von der Stange, der sich etwas zu sehr daran aufhält, die Syntax des Genres in Ehren zu halten, ihr sklavisch Schritt für Schritt nachzueifern, anstatt die Courage herauszunehmen, das zugrundeliegende Regelwerk zu transzendieren und sodann über die genreinhärenten Grenzen hinaus zu denken. Und gedacht haben sich Lluis Quilez und sein dreiköpfiges Autorenteam (Alex Pastor, David Pastor, Javier Gullon) ja durchaus etwas bei der Verwirklichung von „Out of the Dark“.

Familie Harriman, das sind Sarah (Julia Stiles), Paul (Scott Speedman) und das Töchterlein Hannah Harriman (Pixie Davies) verlassen die Heimat, regnerische England, um im tropischen Kolumbien ein neues Leben zu beginnen. Sarah soll in der Papierfabrik ihres Vaters (Stephen Rea) anheuern und quartiert sich in einer Finca direkt am Dschungel ein – Ein regelrechtes Schloss, wie Hannah mit ihren strahlenden Kindesaugen freudig feststellt. Dass es in dieser Behausung nicht wirklich mit rechten Dingen zugeht, macht „Out of the Dark“ in der Pre-Titel-Sequence deutlich, in dem nimmermüde prasselnder Regen, peitschende Blitze und ein tödlicher Sturz vom Geländer in impressionistischer Handhabung die Mystik des Szenarios etablieren soll: Im Bruchteil einer Sekunde, quasi in der Ellipse des Schnitts, sieht man zudem auf dem Balkon die Schemen einer Horde Kinder stehen – Und natürlich werden diese und ihre rastlosen Seelen fortan an den Verlauf der Handlung bestimmen. Ein Mythos rankt sich um Santa Carla, der besagt, dass vor 200 Jahren alle Sprösslinge der Stadt in einem Tempel bei lebendigem Leibe verbrannt wurde.

Ein Umzug wird nur in den ersten Minuten eines Horror-Films mit dem Neubeginn assoziiert, das ferne Land aber steht fortwährend in Relation mit einer die Familienbande stärkenden Herausforderung. Schon bald wird Hannah krank und schließlich auch entführt. Sarah und Paul, die mit Julia Stiles und Scott Speedman zwar mit zwei nicht unbekannten, aber in ihren Fähigkeiten doch recht limitierten Schauspielern besetzt wurden, müssen sich tiefer in die Historie der Region bohren, um unter dem Deckmantel der kulturellen Identität eine Erkenntnis zu entblättern, die ihnen den Weg zu ihrer abhandengekommenen Tochter pflastert. Lluis Quilez beherrscht sie, die (neue) Grammatik des Horror-Films, er lässt auf jeden Augenblick der Stille immer ganz selbstverständlich einen herausgeschleuderten Soundeffekt folgen: Ob es Blicke in den Spiegel sind oder auch nur die Taschenlampe, die langsam die Winkel der Korridors abgleitet. Dass sich „Out of the Dark“ auch daran versucht, einen politischen Subtext (mit Kapitalismus-Schelte) in die Geschichte einzuweben, mag man überholt finden, Lluis Quilez aber veranschaulicht dabei, dass er die gesellschaftskritische Konnotation nur in Verknüpfung mit der mythische Überhöhung gebrauchen kann. Und hoffentlich findet er in Zukunft dafür die Chance, diesen Gedanken sinnstiftender auszubauen, die Anlagen jedenfalls passen schon einmal.

“Out of the Dark” ist ab dem 26. Juni überall im Handel erhältlich.

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