Mit dem komödienhaften Rache-Drama True Grit (2010) und inbesondere mit dem Neo-Noir-Thriller No Country For Old Men (2007) hat das moderne Kino den Gebrüdern Coen zwei unvergessliche Beiträge zum Western-Genre zu verdanken. Als es allerdings hieß, dass sich die beiden Brüder erneut an ein Western-Projekt wagen würden, welches als episodenhafte Serie für den Streaming-Anbieter Netflix geplant ist, war ich trotz allem, was das amerikanische Kino Ethan und Joel Coen bis heute zu verdanken hat, erst einmal skeptisch gegenüber ihrem neusten Regieprojekt. Würde das Serien-Format den Brüdern liegen? Als vor der Weltpremiere beim diesjährigen Filmfestival in Venedig publik gemacht wurde, dass The Ballad of Buster Scruggs nun doch als Spielfilm veröffentlicht wird, war ich noch gespannter als eh schon, ob der Frage, was der Grund für den späten Sinneswandel gewesen sein mag.
Und letzten Endes war die Skepsis nicht ganz unberechtigt, denn The Ballad of Buster Scruggs ist ein typischer Coen-Film geworden, der sich am besten als ‘die sechs moralischen Wild-West-Erzählungen’ der Coen Brüder zusammenfassen lässt und der, zumindest aus dem Grund, dass aus diesem Projekt nicht die ursprünglich geplante Serie fabriziert wurde, erleichtert aufatmen lässt. Das ganze Ideenkonstrukt wäre nämlich, bei aller filmischer Liebe zu den Coens, im Serienformat ausgeufert.
Bereits wenig haben die Gebrüder nämlich in dem am Ende nur noch sechs Sketche umfassenden Anthologie-Western zu erzählen, der von großartig comichaften bis klischeebeladen-klassischen Western-Momenten, so hat man das Gefühl, das volle Spektrum des Genres abdeckt. Den Höhepunkt mimt hierbei leider bereits in der ersten Episode Tim Blake Nelson als singender Lucky Luke Verschnitt, der schneller als sein Schatten schìeßt, der seine Rivalen aber auch gerne mal hinterlistig (ohne Revolver) zur Strecke bringt. Und den schließlich ein unerwarteter Schicksalsschlag trifft, so wie in jeder weiteren Episode die Leben der Protagonisten unerwartete Wendungen nehmen. The Ballad of Buster Scruggs ist in erster Linie ein gelegentlich ironischer, hauptsächlich jedoch zynischer Abgesang auf den Tod, der uns alle irgendwann irgendwo, in der Regel überraschend, trifft.
Mehr, als diese Prämisse, hält die sechs Episoden auch nicht zusammen, weder inhaltlich noch inszenatorisch. Und gleichermaßen herausragend und unterhaltsam wie die erste Episode, ist nur noch die Geschichte um einen alternden Goldsucher, der, komplett auf sich allein gestellt, mitten in der rauen Natur sein Glück (ver-)sucht. Dieser wird grandios von Tom Waits gespielt und obendrein ist diese Episode kameratechnisch eine kleine Augenweide und bricht gelungen mit dem Eingriff der Menschheit in die friedliche Natur.
Davon abgesehen, können die weiteren der sechs sketchartigen Episoden alle kaum oder zumindestens nicht durchgehend überzeugen. Inbesondere deswegen, weil diese, wie schon erwähnt, zu unzusammenhängend aneinandergereiht sind, als dass man jemals wirklich tiefer im Geschehen versinken könnte. Immerhin erlaubt dies den Coens sich mal wieder so richtig, auch in für sie bisher unbekanntem Terrain, auszutoben. So empfehlen sie sich am Ende sogar, wenn auch noch nicht gänzlich überzeugend, für einen Horror-Film. Edgar Allen Poe und Oscar Wilde im Gewand der Coens? Warum eigentlich nicht.
Fazit: The Ballad of Buster Scruggs ist nicht mehr und nicht weniger, als eine charmante, durchaus sehenswerte Fußnote im ansonsten größtenteils unvergesslichen Schaffen der US-amerikanischen Regiebrüder. Länger, als zuletzt Hail, Caesar!, wird auch diese Regiearbeit nicht in Erinnerung bleiben.
The Ballad of Buster Scruggs ist ab dem 16. November 2018 auf Netflix zu sehen.
-gesehen im Rahmen des BFI London Film Festivals 2018-