"Two Lovers" (USA 2008) Kritik – Joaquin Phoenix gefangen zwischen zwei Frauen

“Es war gar nicht dein Wunsch, dass ich herkomme, habe ich Recht?”

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Ein Regisseur der Marke James Gray, hat es in der Filmwelt nie wirklich einfach. Zum einen liegt das an der fehlenden populären Kraft, die ihm in der Öffentlichkeit den nötigen Medienwirbel verschenkt, so seine Persönlichkeit in den Vordergrund stellt und für die breite Masse auch interessanter. Zum anderen liegt es auch an den Filmen selber, die zwar immer über eine gewisse Starbesetzung verfügen, aber nie die Thematik wählen, die das große Publikum anlocken. Natürlich kann es auch letzten Endes an der eigentlichen Umsetzung liegen, die ein bestimmtes Werk scheitern lässt. In der Filmographie des New Yorkers lassen sich Werke wie „Little Odessa“, „The Yards“ und „Helden der Nacht“ entdecken. Sollte man diese Filme nicht kennen, braucht man wohl kaum mit den Begriffen „Kultur – oder Wissenslücke“ um sich werfen, denn als prägend oder gar äußerst meisterhaft bezeichnen kann man sie nicht. Mit seinem vierten Film „Two Lovers“ aus dem Jahre 2008, liefert James Gray zwar seinen bis dato reifsten Film ab, aber der Wunsch, wirkliches Aufsehen zu erregen und auch einen kommerziellen Erfolg feiern zu dürfen, wird sich in diesem Fall ebenfalls nicht bewahrheiten können.

Leonard ist ein unauffälliger Typ, Mitte dreißig, Hobbyfotograf und er hat sich ein Ziel vor Augen gesetzt: Selbstmord. Nachdem der Versuch sich umzubringen allerdings nicht mit der nötigen Konsequenz durchgezogen wurde und ihn einige Personen aus der Nähe, die ihm bei seinem Sturz in das eiskalte Wasser beobachtet haben, wieder herauszogen, zieht Leonard daraufhin wieder bei seinen Eltern Reuben und Ruth sein. Seinen Eltern schildert er den Vorfall als unbedeutendes Missgeschick und diese raten ihm, eine Beziehung mit der befreundeten Sandra einzugehen, denn die stammt ebenfalls aus einer jüdischen Familie, mit der Leonards Eltern eine freundschaftliche Beziehung führt. Leonard geht dem Wunsch nach und weiß Sandra auch durchaus zu schätzen, doch als er die Nachbarin Michelle trifft, die eine schwierige Affäre mit einem reichen Anwalt führt, fühlt sich Leonard zu Michelle hingezogen, bis er sich kurze Zeit später zwischen zwei Frauen gefangen sieht…

Dabei überzeugt auch „Two Lovers“ gerade durch seinen äußerst mannigfachen Cast. In der Hauptrolle sehen wir Joaquin Phoenix („Signs – Zeichen“), der schon in „Helden der Nacht“ mit Regisseur Gray zusammenarbeitete, hier aber im Gegensatz zum Crime-Drama eine gestandene und facettenreiche Performance zeigt. Phoenix gibt den labilen Leonard, dem der nötige Halt im Leben fehlt und durch seine „Frauengeschichte“ nur noch mehr ins Straucheln gerät. Dabei weisen vor allem die Augen Phoenix’ eine unglaubliche Vielfalt an Emotionen auf, die das Innenleben des Mannes immer wieder zum Ausdruck bringen. Schade ist nur, dass Phoenix sich mit seiner Fake-Rapper-Geschichte, die in „I’m Still Here“ dokumentiert wurde, selber von seiner wirklich starken Darstellung als Leonard ablenkte. Neben Phoenix glänzen auch zwei verschiedene Frauentypen: Da wäre Gwyneth Paltrow („Sieben“) als Michelle und Vinessa Shaw („Todeszug nach Yuma“), die ihre unterschiedlichen Figuren überzeugend und durchgehend glaubwürdig entfalten, ohne sich in irgendeiner Form in den Vordergrund drängen zu wollen. Dazu gibt es dann auch noch ein Wiedersehen mit Isabelle Rossellini („Blue Velvet“) als liebevolle Mutter Ruth.

Hat man zu Anfang noch die Befürchtungen, „Two Lovers“ lässt sich problemlos in die herkömmliche Schablone eines abgeflachten Liebesfilmes pressen, überzeugt Regisseur James Gray den Zuschauer schnell vom Gegenteil und offenbart ein tiefgehendes Charakter-Drama, in dem es nicht um überzogene Rührseligkeiten geht, sondern um echte Emotionen und die Tangierung der Gefühle in Bezug auf jede einzelne Person im ausweglosen Dreierbund. Gray versteht es, seinen Figuren konsequent die Sympathiezufuhr zu verweigern und lässt gerade den Hauptbezugspunkt des Filmes, Leonard, immer wieder in einem anderen Licht erstrahlen. Die schiere Unsicherheit des Mannes ist in jedem Moment zu spüren und selbst wenn er ausgelassen in dem Club in Manhatten feiert, schwingt immer das Gefühl der pochenden Sehnsucht nach einem anderen Leben mit. „Two Lovers“ thematisiert in diesem Sinne auch nicht die Liebe per se, sondern wird zu einem Film, der sich mit den Bedürfnissen, dem Verlangen, der Frustration, dem Wunsch nach Veränderungen beschäftigt. Sensibel porträtiert Gray das jüdische Milieu, verliert sich dabei zwar gelegentlich in der Ruhe selbst, versteht es aber äußerst gekonnt, „Two Lovers“ durchgehend menschlich und authentisch darzustellen. Wie im echten Leben, verdrängen die Charaktere in Einzelsituationen jede Rationalität und geben sich dem Moment hin, um später dann mit der Widersprüchlichkeit der eigenen Lage konfrontiert zu werden. Was „Two Lovers“ uns bietet, ist genau das, was sich tagtäglich auf der ganzen Welt ereignet: Die ernüchternde und ebenso reife Realisierung der persönlichen Lebenslage und der eigenen Gefühle, ohne dabei im Pessimismus zu ertrinken.

Fazit: „Two Lovers“ besticht durch ein hervorragendes Schauspielensemble und einer sensiblen und äußerst reifen Inszenierung, die die Liebe nicht als rosaroten Rausch darstellt, sondern als schmerzhaftes wie überwältigendes Gefühl im widersprüchlichen Ungleichgewicht. Hin und wieder verliert Regisseur Gray den packenden Faden aus der Hand und lässt den Zuschauer etwas aus der Bahn geraten, findet aber immer wieder zurück und macht „Two Lovers“ schlussendlich nicht nur zu einem äußerst starken Film, sondern auch zu einem tiefgehend und ehrlichen.

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