Kill Your Friends (GB 2015)
von Owen Harris, u.a. mit Nicholas Hoult, Ed Skrein und Rosanna Arquette
Feinde muss man vor sich hertreiben. Nach diesem Credo bestreitet Steven Stelfox seinen Alltag als A&R-Manager in einer renommierten Londoner Plattenschmiede. Wir befinden Mitten in den 1990er Jahren, die britische Musikindustrie hat gerade zum ersten Mal eine Milliarde eingenommen und an Downloads ist noch lange nicht zu denken. Das Geschäft boomt. Blöd nur, dass Steven Stelfox in Wahrheit Bands hasst, was ihn nicht daran hindert, den Markt in seiner ganzen destruktiven Selbstgerechtigkeit zu torpedieren – streng auf den eigenen Vorteil bedacht. „Kill Your Friends“ versteht sich als bissige Satire auf den Tonträgermarkt und fräst Schächte durch die Eingeweide dieser Branche, um klarzustellen: In diesem Kosmos hat der Erfolg tausend Väter, während der Misserfolg ein Waisenkind bleibt. Es ist eine Welt, die von Konkurrenzdenken und Leistungsdruck bestimmt wird, und Nicholas Hoult besticht in der Hauptrolle als moderierender, traumwandlerischer Materialist, der keine Ahnung von der Materie besitzt, aber die Lügenmär vom Ruhm aus dem zynischen Stegreif herunterkurbelt. Owen Harris lässt sich oft und gerne treiben, genießt den furiosen Fluss, der entsteht, wenn das Haifischbecken in Rage gerät, muss sich aber auch ankreiden lassen, dass der ständige Exzess ermüdet und die Entwicklung der Geschichte merklich stagniert. Eine launige Angelegenheit ist „Kill Your Friends“ dennoch.
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Ich und Kaminski (DE/BE/FR 2015)
von Wolfgang Becker, u.a. mit Daniel Brühl, Jesper Christensen, Geraldine Chaplin
Augenwischerei. Genau das ist es, was „Ich und Kaminski“ am besten beherrscht. Und es ist nicht einmal gewiss, ob diese Augenwischerei hier mutwillig betrieben wird. In jedem Fall ist Wolfgangs Beckers gleichnamige Adaption der blühenden Daniel-Kehlmann-Vorlage einer dieser Filme, denen man hinterhertrauert, was sie an Potenzial ungenutzt lassen, anstatt sich damit zu „begnügen“, was sie unterm Strich Zählbares geleistet haben. Die Vorzeichen erschienen jedenfalls durchaus attraktiv: Daniel Brühl glänzt einmal mehr als Journalist und Gefühlslegastheniker, dessen selbstverständliche Reserviertheit beim Aufeinandertreffen mit Manuel Kaminski (Jesper Christensen), dem letzten Vertreter der klassischen Moderne, mehr und mehr bröckelt. Mit den Spannungen, die sich zwischen den beiden Männern auftun, die aber auch den Effekt nach sich ziehen, dass die werten Herren sich gegenseitig dabei unterstützen, sich von ihren Eitelkeiten abzunabeln, hätte das Zeug gehabt, als intergenerationelles Porträt zu gefallen. „Ich und Kaminski“ ist indes nicht sonderlich am Zwischenmenschlichen interessiert, vielmehr verschreibt man sich hier den narrativen Sperenzchen, die formal sicher nett anzusehen sind, aber immer wieder den Bezug zu den Charaktere in die Ferne rücken. Die musikalische Untermalung steht quasi programmatisch für den Film und zeigt auf, wie unwirsch es hier doch vonstatten geht: Mal streicht es dünkelhaft, dann wird sich pathetisch aufgeplustert, um dann doch in einem parodistischen Zupfen zu munden. Schade, denn eigentlich steckt in „Ich und Kaminski“ eine angenehme satirische Abrechnung mit der mythenverhafteten Schein-und-Sein-Kunstwelt, die doch wirklich glaubt, dass das maskuline Geschlecht hier ihr Hoheitsgebiet erschlossen hätte. Der Film aber bestätigt das hinten raus in sentimentalen Tendenzen, anstatt es zu überspitzen.
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Zipper (USA 2015)
von Mora Stephens, u.a. mit Patrick Wilson, Lena Headey und Richard Dreyfuss
Auf den ersten Blick erscheint Sam Ellis (Patrick Wilson) wie ein aus dem Ei gepellter Yuppie, der vor allem sich selbst am nächsten ist. Sam Ellis jedoch ist Staatsanwalt und gilt in der Öffentlichkeit als eine Art adrette Galionsfigur für Moral und Gerechtigkeit. Seine Person ist zwangsläufig mit der Aufrechterhaltung von ethischen Werten verknüpft. Später, beinahe schon am Ende des Filmes, wird Sam Ellis die Frage offerieren, warum die Menschen immer glauben, dass Staatsdiener zwangsläufig fehlerfrei sein müssen? Die Antwort darauf ist klar: Weil sie ein System repräsentierten, welches die Gesellschaft beim Anflug geringster Unstimmigkeiten ins Wanken geraten lässt. In „Zipper“ geht es um die Veranschaulichung, dass dieses „Repräsentieren“ von allgemeingültigen Idealen nur so weit reicht, wie sie mit dem eigenen (menschlichen) Naturell kooperieren. Sam Ellis ist sexuell frustriert – und das die Verflechtung von Politik und Sex nicht sonderlich sinnstiftend ist, erscheint müßig, an dieser Stelle zu erläutern. Mora Stephens beschreibt den Ausbruch aus der monotonen bürgerlichen Existenz Sam Ellis’ als Affekthandlung, und doch hat sie nie die Konzentration, sich auf die Gefühlsebene ihrer Hauptfiguren einzulassen und besonnen zu hinterfragen, was mit einem Menschen geschieht, wenn er sich nicht mehr länger im Schatten der Sucht aufhält, sondern die Sucht selbst zum Schatten wird, der das ganze Leben verdeckt. „Zipper“ ist zu trocken und hinten raus auch reichlich prüde. Kein Wunder, dass einem die ganze Nummer so am Allerwertesten vorbeigeht.
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