Kritik: Saints And Sinners – Heilige und Sünder (IRL 2023)

– gesehen im Rahmen der 80. Filmfestspiele von Venedig 2023, Kritik erstmals zu lesen am 6. September 2023 –

In the Land of Saints and Sinners Liam Neeson

How many people have you killed together?

Es gibt immer wieder diese Festivalüberraschungen, welche man vorab überhaupt nicht auf dem Schirm hat. Robert Lorenz Saints And Sinners – Heilige und Sünder ist jetzt wieder so ein Fall – bis eine Stunde vor dem ersten Screening in Venedig war mir nicht einmal bewusst, dass dieser mit Liam Neeson (96 Hours, Silence), Ciarán Hinds, Colm Meaney und vor allem Kerry Condon (The Banshees of Inisherin) eine fabelhafte irische Darstellerriege zu bieten hat.

Aber gut, Robert Lorenz hat zwar 2021 schon einmal mit Liam Neeson zusammengearbeitet, doch das Resultat (The Marksman) war zum Vergessen. Und Liam Neeson hat obendrein schon seit einigen Jahren keinen brauchbaren Film mehr vorzuweisen und hält seine Karriere nur noch mit billig produzierten, unsinnigen Actionfilmen am Laufen. Saints And Sinners – Heilige und Sünder feierte zudem heute nicht im Wettbewerb des Festivals Premiere, sondern in der Nebensektion Orizzonti Extra. So wirklich wurde meine Neugierde erst entfacht, als der Film begann und mir atemberaubende irische Landschaften dargeboten wurden, wie in Martin McDonaghs bereits erwähnten Meisterwerk The Banshees of Inisherin.

Dieses Mal befindet der irische Unabhängigkeitskonflikt jedoch nicht in der Ferne (der Streit der beiden Freunde in The Banshees of Inisherin wurde mit Absicht auf eine Insel verlagert), sondern wir sind direkt auf dem Festland im Zentrum der Geschehnisse. Dort wird der von Liam Neeson gespielte Auftragskiller Finbar, der in den Ruhestand gehen möchte, (nicht ganz) unfreiwillig in die Auseinandersetzung mit einer rachsüchtigen IRA-Terroristin und ihrer Clique verwickelt, die gerade erst ein blutiges Attentat in Belfast verübt haben.

In the Land of Saints and Sinners

Das Aufeinandertreffen von Liam Neeson und Kerry Condon ergibt einen ganz und gar ungewöhnlichen modernen Western-Charme, situiert im Jahr 1974, als der Konflikt nach wie vor am toben war. Geschrieben ist das zwar eher auf dem Niveau eines B-Movies, doch das wiederum in bester alter Peckinpah-Tradition. Die Rohheit und die tragische Sinnlosigkeit von Gewalt aufzuzeigen, ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Robert Lorenz findet jedoch die richtige Balance und vermischt sie geschickt mit irischem Humor sowie einem passenden Score, der auch von Morricone hätte stammen können. Und, ohne zu viel vorwegzunehmen, lässt der von Liam Neeson gespielte Finbar immer wieder Parallelen zu bestimmten Corbucci-Western erkennen.

Erst vor zwei Jahren schilderte Kenneth Branagh das Leben einer Familie in Belfast während des erneuten Aufflammens des Nordirland-Konflikts im Jahre 1969 in einem gleichermaßen persönlichen wie gewöhnlichen Drama. Saints And Sinners – Heilige und Sünder  ist im Vergleich der deutlich bessere Film über die Zerstörung, die Gewalttaten und verlorene Lebensträume während der IRA-Ära und somit nicht nur eine kleine Festivalüberraschung, sondern obendrein Liam Neesons bester Film seit langer Zeit. Das ist zwar noch kein irischer Film auf einer Stufe mit Martin McDonaghs brillanten schwarzen Komödien, dennoch würde ich gerne mehr moderne europäische Western dieser Art sehen.

★★★★★★☆☆

Saints And Sinners – Heilige und Sünder ist ab dem 19. Januar 2024 exklusiv im Amazon Prime Abo* enthalten. Den Trailer würde ich nicht vor dem Film anschauen, da dieser zu viel preisgibt.

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