Kritik: Taxi Driver (USA 1976)

Taxi Driver 1976

10. Mai. Endlich hat es geregnet. Dreck und Abfälle wurden von den Bürgersteigen gespült. Ich arbeite bis zur Erschöpfung. 6 Tage in der Woche. Von abends sechs bis morgens sechs. Oft hänge ich noch 2 Stunden dran. Manchmal arbeite ich auch an 7 Tagen. Das ist ein verdammter Schlauch. Aber es hält mich auf Trab. Pro Woche verdiene ich zwischen 300 und 350. Wenn ich die Uhr abstelle, schaff ich noch mehr. Wenn es dunkel wird, taucht das Gesindel auf: Huren, Betrüger, Amateurnutten, Sodomiten, Trinen, Schwuchteln, Drogensüchtige, Fixer, kaputte Syphkranke. Ich hoffe, eines Tages wird ein großer Regen diesen ganzen Abschaum von der Straße spülen.

Martin Scorseses zeitloses Meisterwerk erzählt die Leidensgeschichte des Taxifahrers Travis Bickle. Schlaflosigkeit, Isoliertheit, Einsamkeit prägen sein Leben im gewalttätigen und schmutzigen New York der 70er Jahre. Sein Leben geht immer weiter bergab, bis schließlich alles in einer Eskalation aus Gewalt und Dramatik endet.

Taxi Driver ist schockierend und zugleich von einer fiebrigen Schönheit getragen. Traurig, kontrovers sowie ein dermaßen atmosphärischer Overkill, wie ich es nur selten gesehen habe. Er stellt die meiner Meinung nach gelungenste Milieustudie der Kinogeschichte dar, welche, im Kontext zur zeitgenössischen Politik wie der Watergate Affäre oder dem Vietnamkrieg, wie ein Meteorit einschlägt.

Taxi Driver ist herausragend inszeniert, doch wären da nicht diese legendären Stars wie Robert De Niro, Jodie Foster und Harvey Keitel, der Film würde nur halb so gut funktionieren. Vor allem De Niro in der Rolle des Travis Bickle bietet eine gleichsam emotionsgeladene wie aus der Fassung bringende Darstellung, welche ich zu den Besten der Filmgeschichte zähle. Durch seine Darbietung funktioniert Taxi Driver zusätzlich zu den zeitgenössischen Aspekten obendrein noch als tiefgreifende Studie über Frustration und Selbstzerstörung. Im Laufe des Films tut sich ein riesiger Abgrund in Bickles Innerem auf, der verdeutlicht, wie schwer es ist zwischen Held und Antiheld zu unterscheiden. Es entstehen Momente, in denen man als Zuschauer nicht weiß, ob man hassen oder Mitleid empfinden soll. Und diese Szenen verankern sich auf ewig im Gedächtnis.

Da bleibt dann auch nichts mehr zu bemängeln. Zwar werden einige Zuschauer mit der Langatmigkeit Probleme kriegen, ich hingegen liebe diese atmosphärische, tagebuchartige Erzählform, ich verehre jede Sekunde des Films, jeden Augenblick, den Bernhard Herrmanns Musik untermalt, jede einzelne Kamerafahrt, jede Falte, die sich bei De Niro regt, denn mit diesem Method Acting hat er sich als mein Lieblingsschauspieler etabliert. Ein Beispiel dafür:

You talkin’ to me?

Das bedeutet so viel wie “Redest du mit mir?” oder  “Laberst du mich an?” Und längst hat diese Szene, in der Travis Bickle mit gezücktem Revolver vor seinem Spiegel steht, Kultstatus erreicht. Darin entladen sich alle Gefühle des Protagonisten, dieser Augenblick fegt einen weg und man spürt den Vulkan, der bald auszubrechen droht.

So viel wurde Taxi Driver schon analysiert…. was also bleibt eigentlich noch über dieses Meisterwerk zu sagen? Ganz ehrlich, diese Geschichte über Entfremdung, diese beeindruckenden Performances oder das Ende, welches eine der diskussionswürdigsten, nachhaltigsten sowie brutalsten Szenen aller Zeiten darstellt, ich bin dankbar! Dankbar dafür, dass es diesen Film gibt, denn ohne ihn hätte das Dreamteam Scorsese – De Niro vermutlich niemals einige meiner Lieblingsfilme (u.a. Wie ein wilder Stier oder zuletzt Killers of the Flower Moon) ins Leben rufen können. In diesem Sinne: Ein Hoch auf Taxi Driver!

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