Die besten Filme des Jahres 2021 – Sascha stellt seine Lieblinge vor

Eine Liste von Gastautor Sascha Böß. Du stöberst gerne durch Best-Of-Listen? Dann hier entlang!

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Nun haben wir auch 2021 überlebt. Das Kino auch – trotz der, für alle, schweren Corona-Monate. Doch viele Kinobetreiber nagen am Hungertuch. Die Ungewissheit vor einem erneuten Lockdown lässt sie nicht ruhig schlafen. Dabei gäbe es so viele Filme zu zeigen. So viel hatte sich bereits seit Anfang 2020 aufgestaut, sowohl im Kino als auch auf Filmfestivals, was es 2021 nachzuholen gab. Eine Unmenge an Filmmaterial strebte wieder auf die große Leinwand, wollte endlich gesehen werden. Hoffen wir alle, dass es 2022 für die Filmwelt besser wird. Hoffen wir, dass mit uns auch das Kino überlebt.

Jetzt aber zu den vielen großartigen, interessanten Filmen ganz unterschiedlicher Genres und aus allen Ecken der Welt, die es zu bestaunen gab. Insbesondere asiatische Filme haben es mir persönlich dieses Jahr ganz besonders angetan. Die dortigen Produktionen werden international immer mehr gewürdigt und geschätzt. Es täte Deutschland gut, diese Filme auch ins Kino zu bringen bzw. wenigstens zeitnah als Blu-ray oder Stream zu Verfügung zu stellen. Wer das asiatische Kino ignoriert, verpasst die Hälfte der Filmwelt.

Erwähnenswert ist auch, dass die Magie und der Wunderglaube wieder mehr ins Kino einfließen. Ob als Formen des Eskapismus, um vor dem öden, scheiternden Säkularismus zu entfliehen oder als zuversichtlicher Sturz nach vorne, der uns zum Hoffen ermutigen will – das internationale Kino bietet aktuell wirklich eine Menge zum Entdecken.

Lobenswerte Erwähnungen:
The Disciple (Chaitanya Tamhane)
The Worst Person in The World (Joachim Trier)
What Do We See When We Look at the Sky? (Alexandre Koberidze)
Seize printemps (Suzanne Lindon)
Come True (Anthony Scott Burns)
Titane (Julia Ducournau)
Ich bin dein Mensch (Maria Schrader)
Wheel of Fortune and Fantasy (Ryūsuke Hamaguchi)
Hochwald (Evi Romen)
Quo Vadis, Aida (Jasmila Žbanić)
Memoria (Apichatpong Weerasethakul)
Pig (Michael Sarnoski)
I Care A Lot (J Blakeson)
The Green Knight (David Lowery)
Spencer (Pablo Larraín)

Die größten Enttäuschungen:
– I Carry You With Me (Heidi Ewing)
– Nobody
(Ilja Naischuller)

Die schlimmsten Filme des Jahres:
Prisoners of the Ghostland* (Sion Sono), The Battle at Lake Changjin (Dante Lam, Tsui Hark, Chen Kaige), Black Widow (Cate Shortland), The Tomorrow War* (Chris McKay)  und Voyagers* (Neil Burger)

Leider noch nicht gesehen:
Schachnovelle (Philipp Stölzl), Bergman Island (Mia Hansen-Løve), Große Freiheit (Sebastian Meise),  House of Gucci (Ridley Scott), Herr Bachmann und seine Klasse (Maria Speth), Die Welt wird eine andere sein (Anne Zohra Berrached), Lieber Thomas (Anne Zohra Berrached). Benedetta (Paul Verhoeven) und Last Night in Soho (Edgar Wright)

2022 – meine meisterwarteten Filme:
Licorice Pizza (Paul Thomas Anderson), John Wick 4  (Chad Stahelski), The Batman (Matt Reeves), The Northman (Robert Eggers), Nope (Jordan Peele), Scream 5 (Matt Bettinelli-Olpin) und Killers of the Flower Moon (Martin Scorsese)

Weitere heißerwartete Veröffentlichungen findet ihr im Filmkalender.

Und hier nun meine Top 10 Lieblingsfilme des Jahres 2021:

 10 | Das Mädchen und die Spinne

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von Ramon und Silvan Zürcher mit Henriette Confurius (Kinostart 08.07.21, bereits für das Heimkono erhältlich*)

Ein sehr schwer zu beschreibender Film. In einer Berliner Wohnung findet ein Umzug statt. Dazwischen Mara, viel Trubel, Zigarettenstümmel und eine Spinne. Gedreht wird in der Halbnahen, wodurch jeder Pickel eine Bedeutung bekommt, aber auch jeder Blick sich in seine tausenden Bedeutungen entfalten kann. Diesen kann man in den engen Zimmern nicht entfliehen. Soziale Interaktionen scheitern und gelingen auf eine undenkbar kreative Weiße. Ein kleines schweizerisches, surreales Werk. [Trailer]

9 | Palm Springs

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von Max Barbakow mit Andy Samberg und Cristin Milioti (Kinostart 08.07.21, aktuell kostenfrei bei Amazon Prime im Abo enthalten*)

It’s one of those infinite time loop situations you might have heard about.

Diese amüsante Komödie hat mich völlig überrascht. Ein junger Mann und eine junge Frau sind zusammen in einer ewigen Zeitschleife gefangen. Und natürlich lässt sich es nicht lange darauf warten, bis sie sich ineinander verlieben. Ein wirklich lebendiger, witziger, spannender Film, der in den richtigen Momenten weiß, dass er nicht pseudo-intellektuell sein kann, sondern vor allem eines möchte: unterhalten. [Trailer]

8 | Drive my Car

Drive-My-Car-Film-2021

von Ryūsuke Hamaguchi mit Hidetoshi Nishijima und Tōko Miura (Kinostart 23.12..21)

Der große moderne Realist Hamaguchi scheint in seiner Produktivität Fassbinder nacheifern zu wollen, hatte er doch dieses Jahr gleich zwei Filme am Start. Mit dem seit Cannes gefeierten Drive my Car katapultiert er sich nun endgültig in die internationale Riege der Meisterregisseure. Es ist ein tiefsinniger, sensibler Road-Movie, dessen Autofahrten zwischen Theaterproben stattfindet. Wie der Filmkritiker Lucas Barwenczik im Podcast „Kulturindustrie“ feststellte, sind Autos sowohl Objekte als auch Orte, die sich fortbewegen können. Im Auto als fahrender Ort werden in diesem Film Geschichten erzählt, geprobt, geweint, geliebt, getröstet, vergeben. Die stille Bewegung als Weg zur Zufriedenheit.[Trailer]

7 | Lux Æterna

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von Gaspar Noé mit Charlotte Gainsbourg und Béatrice Dalle (seit dem 14.05.21 für das Heimkino erhältlich*)

In diesen 50 Minuten des Chaos, der Aggressivität, der Hektik und der audiovisuellen Anarchie bringt uns Skandalregisseur Gaspar Noé (Climax, Irreversibel) in den Vorraum der Hölle und lässt uns Zuschauer alle leiden, indem er das Medium Film an seine schmerzhaften Grenzen führt. Wer den Meister Noé schaut, sollte aber sowie stets eine Peitsche zur Selbstgeißlung dabei haben. [Trailer]

6 | The Medium

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von Banjong Pisanthanakun mit Narilya Gulmongkolpech und Sawanee Utoomma (in den USA exklusiv bei Shudder erschienen, in Deutschland bisher nicht veröffentlicht)

Ich habe eine Schwäche für Found Footage Horrorfilme, aber dieser schlägt alle bisherigen. Die Geschichte einer thailändischen Schamanin, die einen vermeintlich harmlosen Dämonen austreiben soll, eskaliert zusehends. Ein meisterhafter Horrorfilm, dessen verstörende Spannung und realistisch bleibender Wahnsinn nicht zu übertreffen sind. Danach wird Der Exorzist einem wie ein Kindergartenfilm erscheinen. [Trailer]

5 | Karnan

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von Mari Selvaraj mit Venkatesh Raja (in Deutschland bisher nicht veröffentlicht)

Dieser soziorealistische Actionfilm handelt von einer indischen Dorfgemeinschaft, welche ihre jahrzehnte lange Unterdrückung nicht mehr aushält und in den Widerstand geht. Politisch und cineografisch bietet der Film einige Referenzen an Die sieben Samurai, Bacurau und Les Misérables (2019). Bedeutend ist diese tamilische Produktion nicht nur wegen seiner radikalen politischen Aussage, sondern auch wegen der 40-minütigen Belagerungsszene gegen die Polizei, die für indisches Kino ungewohnt radikal ist. [Trailer]

4 | The Power of the Dog

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von Jane Campion mit Benedict Cumberbatch und Kirsten Dunst (Netflix-Original)

When my father passed, I wanted nothing more than my mother’s happiness. For what kind of man would I be if I did not help my mother? If I did not save her?

Ein meisterhafter moderner Western, der ganz beiläufig und leise seine Geheimnisse preisgibt. Wer genau hinsieht und hinhört, entdeckt in diesem Drama eine einen tragischen Cowboy, der seine aggressive Männlichkeit als Schutzschild gegen seine eigene sexuelle Unsicherheit einsetzt. Grandios gefilmt und gespielt. [Trailer]

3| Oleg

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von Juris Kursietis mit Valentin Novopolskij (bei Mubi streamen*)

Dieser Film ist glücklicherweise seit Anfang des Jahres auf Mubi zu sehen. Er zeigt einen Arbeitsmigranten als Opferlamm auf den Altären des europäischen Kapitalismus. Es ist ein großartiger Arbeiterfilm ganz in der humanistischen Tradition der Dardenne-Brüder, der jedoch zu pessimistisch ist, um auf eine politische oder soziale Lösung zu hoffen und die letzte Zuflucht im Religiösen findet. [Trailer]

2 | Dune

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von Denis Villeneuve mit Timothée Chalamet und Zendaya Coleman (Kinostart 16.09.21, seit 23.12.21 für das Heimkino erhältlich*)

I must not fear. Fear is the mind-killer. Fear is the little death that brings obliteration.

Dune ist zwar nicht das Jahrhundertmeisterwerk, welches ich mir erhofft habe. Dafür ist mir dieser über dreistündige Blockbuster doch zu hektisch, weil er sich nicht gut genug vom konventionellen Erzähltempo lösen kann. Ich hoffe insgeheim auf eine sechsstündige Version des Films, wo ich wirklich die Zeit bekomme, tief im Wüstensand zu versinken. Trotzdem ist Dune ein Gigant von Film, welcher eine neue Art von Ernsthaftigkeit ins Kino bringt, welche wir im Angesicht der infantilen Disney-, Star Wars– und Marvel-Filme bitter nötig hatten. In Dune wird Essentielles behandelt, was hoffentlich im zweiten Teil zur völligen Reife gelangt. [Kritik]

1| Fabian oder der Gang vor die Hunde

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von Dominik Graf mit Tom Schilling (Kinostart 05.08.21, ab 14.01.22 für das Heimkino erhältlich*)

Ein Glück, dass Erich Kästners Buch vor ein paar Jahren endlich in unzensierter Fassung veröffentlicht wurde. Ein noch größeres Glück ist es, dass Dominik Graf dieses literarische Meisterwerk nun verfilmt hat – zu einem filmischen Meisterwerk. Graf macht mit dieser Literaturverfilmung alles richtig: Er bleibt der Vorlage sehr treu, ergänzt und nimmt dort weg, wo es notwendig ist. Setzt die nötigen Akzente, zu denen man als Nachgeborener verpflichtet ist. Graf zeigt nicht nur, dass wir die späten 1920er Jahre nicht mit ekligem Babylon Berlin-Blaufilter betrachten müssen, sondern er erinnert uns daran, dass Deutsches Kino wieder grandios sein kann, wenn man wirklich will. [Trailer]

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